Mai 19, 2021 | im Landtag, Meine Reden

Jetzt an morgen denken – Corona zeigt: Keine Zukunft ohne Wissenschaft und Forschung

– Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,
werte Gäste,

Es ist schon eine Weile her, dass im Landtag eine Aktuelle Stunde zur Situation der Wissenschaft stattfand. Das war vor 10 Jahren durch unsere Fraktion, als Marie Luise von Halem vor Kürzungen im Hochschuletat warnte. Und wo stehen wir heute?

Mit 8 staatlichen und 6 weiteren privaten und Behördenhochschulen sowie 31 vom Land geförderten Forschungseinrichtungen sind in nur drei Jahrzehnten viele innovative Wissenschaftsstandorte in Brandenburg entstanden.

Wir Grünen hatten hier früher oft beklagt, dass Brandenburg sich auf den letzten Rängen bei den Hochschulausgaben im Ländervergleich befand. Inzwischen haben wir uns langsam nach vorne gekämpft.Mit dem Koalitionsvertrag setzen wir die sogenannte „Hochschultreppe“ fort, d.h. wir erhöhen die Grundfinanzierung jährlich um 5 Mio. Euro und nähern uns damit den anderer Ländern an, um unsere Wissenschaft endlich gut auszustatten. In der außeruniversitären Forschung haben wir – auch Dank der ZifoG-Mittel – die Ausgaben ebenfalls deutlich gesteigert. Aber es wird angesichts der aktuellen Haushaltslage ein Kraftakt sein, auf diesem Weg zu bleiben.

Corona erschwert es uns in allen Bereichen, genügend Mittel im Haushalt bereitzustellen. Und dabei ist es doch gerade Corona, das uns aufzeigt, wie wichtig Wissenschaft und Forschung im Alltag sind. In Brandenburg wurde zwar nicht zu Impfstoffen geforscht, aber fast alle Fachrichtungen befassen sich mit den Auswirkungen von Corona – auf Kinder und Jugendliche, auf unsere Gesellschaft, auf Kultur, Wirtschaft und Politik.

Auch das Ziel, eine staatliche Hochschulmedizin in Brandenburg zu etablieren, scheint uns jetzt dringender denn je. Medizin ist das zweitteuerste Studienfach. Wie wir diese finanzielle Mammutaufgabe stemmen können, wird uns in den kommenden Monaten beschäftigen. Gut, dass wir Strukturmittel für die Lausitz dafür nutzen können. Aber die Finanzierung muss auch nach deren Auslaufen tragfähig sein. Laufende Kosten können daraus ohnehin nicht bestritten werden. Deshalb ist es so wichtig, das Konzept zusammenzudenken mit der Medizinischen Hochschule Brandenburg und der Fakultät für Gesundheitswissenschaften, an der neben der MHB auch die Uni Potsdam und die BTU beteiligt sind.

Corona hat uns die enge Verbindung von Wissenschaft und Gesellschaft noch einmal sehr praktisch vor Augen geführt: Dank ihrer hohen Standards, dem ständigen sich gegenseitig hinterfragen der Wissenschaftler*innen, liefert sie uns Grundlagen für politische Entscheidungen. In der Pandemie hieß das oft tatsächlich: Entscheidungen über Leben und Tod. Wenn ein neuartiger Virus auftaucht, beginnt die Forschung erstmal bei null. Es braucht Zeit, um Versuche durchzuführen und zu Erkenntnissen zu gelangen: SindTürklinken oder Aerosole gefährlich? Helfen Masken oder sind sie kontraproduktiv? Was sind die Pandemietreiber? Wie wirken die Impfstoffe? Was sind psychosoziale Folgen? Was wirkt sich wie auf die Wirtschaft und die Kultur aus? Wie verändern sich Geschlechterverhältnisse in der Pandemie?

Wir konnten seit über einem Jahr Wissenschaft live über die Schulter schauen. Hypothesen wurden aufgestellt, wieder verworfen oder bestätigt. Wissenschaftler*innen rangen untereinander um die besten Theorien, Erklärungen und Lösungen. Natürlich gibt es dabei auch Fehleinschätzungen. Wissenschaft revidiert sich – und in der Folge auch die Politik. Fehler finden bedeutet – Erkenntnissen näher kommen. Fehler sind absolut wertvoll in der Wissenschaft. In dieser Zeit, wo politisches Handeln ganz unmittelbar auf druckfrische Forschungsergebnisse angewiesen war, machte das ungeduldig, wirkte verwirrend und manchmal widersprüchlich. Aber ohne Wissenschaft müssten wir zuschauen, wie die Pandemie wütet und würden bei ihrer Bekämpfung völlig im Dunklen tappen.

Wir sollten aus der aktuellen Krise lernen, um uns für zukünftige Krisen zu wappnen, oder besser noch, sie zu verhindern. Ich denke an Krisen innerhalb unserer Gesellschaft, was verhindert Spaltung, soziale Verwerfungen, Gewalt, Kriege, Armut?

Ich denke aber zuallererst an die Klimakrise.

In der Pandemie mussten wir von heute auf morgen reagieren. In der Klimakrise warnen Wissenschaftler*innen hingegen seit Jahrzehnten, dass wir angesichts der alarmierenden Ergebnisse der Klimaforschung nicht entschlossen genug handeln, ihre Ergebnisse nicht ernst nehmen.

Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung zählt seit langem zu diesen Stimmen. Das ebenfalls in Potsdam ansässige Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung zeigt Entwicklungspfade für zu einer nachhaltigen Gesellschaft auf, gegründet wurde vom ehemaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Die Klimakrise ist in Brandenburg bereits spürbar und zwingt uns zum Umdenken. Die Auswirkungen auf unsere Wälder, die Landwirtschaft und den Wasserhaushalt erforschen die HNE Eberswalde, das ZALF in Müncheberg, das ATB in Potsdam und die BTU Cottbus-Senftenberg. Die Umweltökonomie und die internationale Klimapolitik werden an der Viadrina erforscht. Aus den Strukturwandelmitteln des Bundes können wir Forschung für den Umbau von Wirtschaft und Energieversorgung hin zur Klimaneutralität finanzieren. Das gerade eröffnete DLR-Institut für CO2-arme Industrieprozesse ist ein sehr gutes Beispiel dafür.

Liebe Kolleg*innen, lassen Sie uns aus der einen Krise für die andere Krise lernen. Corona traf uns überraschend – die Klimakrise ist eine Krise mit Ansage. Wir haben also Zeit uns vorzubereiten, leider aber nur noch sehr wenig. Es geht bei Klimapolitik nicht um Parteipolitik, nicht um persönliche Präferenzen. Es geht um wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse und dringenden Handlungsbedarf. Lassen Sie uns daher endlich auf die Wissenschaft hören, damit wir die Klimakrise möglichst noch verhindern.

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