Februar 25, 2021 | Meine Reden, Meine Themen

Meine Rede zum Antrag Frauen in der Corona-Pandemie in der Plenarsitzung am 25.02.20201

– Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

Liebe Kolleg*innen,

Werte Gäste,

 

heute bringen wir Frauen gemeinsam diesen Antrag ein – wir tun das solidarisch als Frauen aus vier Fraktionen. Das ist etwas besonderes, denn wir leben auch in einer besonderen Situation. Wir wollen eure und Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, wie die Pandemie die Lebensbedingungen von Frauen in Brandenburg beeinflusst.

Denn viele der negativen Auswirkungen, über die wir hier in jeder Plenarsitzung seit einem Jahr reden – treffen Frauen noch mal schärfer. Frauen sind besonders oft in systemrelevanten Berufen tätig. In schlechter bezahlten Berufen, sie übernehmen häufiger das Homeschooling und immer noch einen Großteil der Sorgearbeit.

Sie sind unterrepräsentiert in den politischen Entscheidungsgremien und in wissenschaftlichen Führungspositionen, die jetzt bei Entscheidungen über Corona-Maßnahmen so wichtig sind. All das bestand auch schon vor der Pandemie, viele Frauen sind alltäglich im Modus, es gerade noch irgendwie zu schaffen. Mit der Pandemie ist die Grenze überschritten.

Ich werde nicht auf all diese Punkte eingehen, dass werden meine Kolleginnen machen.

Deshalb will ich zuerst mit unserem wichtigsten Anliegen beginnen. Mit dem Kampf gegen Gewalt an Frauen und Mädchen.

Ein Viertel mehr häusliche Gewalt gab es in 2020. Die Dunkelziffer ist noch höher. Häusliche Gewalt klingt im Vergleich zu anderen Delikten irgendwie harmlos. Dabei geht es geht es um Schläge, um Messerstiche, um Vergewaltigungen um Morde. Unsicherheit und finanzielle Sorgen erhöhen die Aggressivität der Täter. Und die Anzahl der Opfer.

Über Femizide, also die Tötung von Frauen vor allem durch Partner oder Expartner, haben wir hier im Landtag schon mehrfach gesprochen. Allzu oft werden Morde an Frauen als Beziehungstat oder Familiendrama verharmlost. Wir sorgen mit diesem Antrag dafür, dass Femizide endlich in der Polizeistatistik ausgewiesen werden und klar als das sichtbar werden, was sie sind.

Um die Gewalt aber möglichst zu verhindern und zu bekämpfen haben wir uns im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, die Istanbul-Konvention der Vereinten Nationen gegen Gewalt an Frauen umzusetzen. Dazu hat das Frauenministerium eine Evaluation in Auftrag gegeben, die Ergebnisse werden wir sorgfältig auswerten.

Was aber schon jetzt klar ist: Wir müssen unsere Frauenhäuser verlässlicher aufstellen. Nicht nur, damit sie für solche Krisen gewappnet sind. In Frauenhäusern ist Krise ohnehin Alltag, nur dringt dies in unserem Alltag nicht wirklich durch. Wir wollen dem Beispiel von Schleswig-Holstein folgen und ein Frauenhausstrukturgesetz auf den Weg bringen. Bisher haben wir einen Flickenteppich von sehr unterschiedlichen Betreiber- und Finanzierungsstrukturen im Land. Der Schutz vor häuslicher Gewalt bleibt kommunale Aufgabe und die Kommunen weiter mit im Boot. Und auch wir als Land werden weiterhin unseren Beitrag zur Finanzierung leisten, aber wir brauchen längerfristige Strukturen. Und wir werden den Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen fortschreiben.

 

Neben der körperlichen Gewalt verstärkt sich aber auch die Hasskriminalität im Netz. In der Pandemie haben sich viele Aktivitäten ins Digitale verlagert, daher nimmt diese Art der Bedrohung zu. Und ich sage bewusst Bedrohung. Denn aus Worten werden leider allzu schnell Taten. Frauen sind im Netz einer spezifischen Form von Hasskriminalität ausgesetzt. Politisch und gesellschaftlich aktiven Frauen wird in aller Öffentlichkeit nicht selten eine Vergewaltigung gewünscht. Einfach, weil die Argumente nicht mehr ausreichten? Einfach, weil man es in der Anonymität des Netzes kann? Weil eine selbstbewusste, politische Frau als Bedrohung wahrgenommen wird? Ein Zustand, der dringend unterbunden werden muss. Daher haben wir in der vergangenen Plenarsitzung beschlossen, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Hasskriminalität einzurichten und das Thema muss auch einfließen in die Medienbildung. Und ich bitte Sie und euch alle. Schaut nicht weg, wenn ihr solche Kommentare seht. Zeigt so etwas an, dass kann jeder und jede tun, der das liest. Sagt den Betroffenen, dass ihr solidarisch mit ihnen seid, stärkt ihnen den Rücken, ermutigt sie, sich zu wehren.

Glücklicherweise erfahren nicht alle Frauen Gewalt, sind aber im Alltag stark belastet. Homeoffice, Kurzarbeit, Teilzeit, Entlassungen – das gab und gibt es bei allen Geschlechtern. Allerdings zeigen Studien, dass Frauen ihre Arbeitszeit stärker reduzierten als Männer. Männer kehrten schneller wieder zur normalen Arbeitszeit zurück. Zwar ist die Entgeltlücke in Brandenburg geringer als im Bundesdurchschnitt, aber bei einem geringeren Gehalt wirken sich Einbußen natürlich stärker aus. Und auch der höhere Teilzeitanteil bei Frauen bedeutet – nicht nur in der Krise – ein höheres Armutsrisiko. Home-Office hat natürlich unbestritten Vorteile für Flexibilität und Vereinbarkeit. Auch mehr Männer haben Erfahrungen im Home-Office gesammelt. Aber insgesamt sind es eben doch deutlich mehr Frauen im Homeoffice. Und Homeoffice darf nicht zu einer Falle für die Gleichstellung werden, indem es die ständige Verfügbarkeit für Sorge- und Hausarbeit bedeutet. Es ist eine wiederkehrende Beobachtung: Wenn es hart auf hart kommt, werden mühsam erkämpfte Gleichstellungsfortschritte erstaunlich schnell zurückgedreht und wir fallen in traditionelle Rollenmuster zurück. Darum müssen wir sicherzustellen, dass Frauen im Homeoffice nicht unsichtbar werden und dadurch schlechtere Chancen beim beruflichen Aufstieg haben. Wir sollten aus der Pandemie lernen, wie wir Arbeit – sei es Lohnarbeit, sei es Care-Arbeit geschlechtergerecht verteilen. Dafür wollen wir das Landesgleichstellungsgesetz novellieren und Erkenntnisse aus der Pandemie aufgreifen. Wir wollen die Rolle der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten stärken und mehr Maßnahmen für eine politische Beteiligung von Frauen aufnehmen. Dafür werden wir auch weiterhin auf die Parität in Parlamenten hinarbeiten. So wie das Frauenwahlrecht nicht in einem Jahr erkämpft wurde, werden wir auch für Parität weiterkämpfen, bis wir sie erreicht haben. Wenn auch vorerst nicht mit einem Brandenburgischen Paritätsgesetz.

Im Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm wollen wir eine Kampagne für Entgeltgleichheitschecks in Kommunen und Unternehmen verankern und in allen Einrichtungen des Landes Entgeltgleichheitschecks durchführen. Das sichert nachhaltig einen fairen Verdienst und deckt unterschiedliche Bewertungen von eher männlich oder weiblich besetzten Tätigkeiten auf.

Am letzten Frauentag, am 8. März 2020 hat sich die Pandemie bereits angekündigt. Nun, ein Jahr später nutzen wir die Brandenburgische Frauenwoche 2021 zur Flucht nach vorn, um Lehren aus der Krise zu ziehen und eine ganze Reihe wichtiger frauenpolitischer Forderungen endlich umzusetzen. Corona hat den Blick dafür geschärft. Ich bitte Sie um Zustimmung.

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